Tödliche Liebe oder abscheuliche Zurschaustellung von Intimität. Breschnews berühmter Dreifachkuss besiegelte den eisernen Griff der Sowjetunion

Wir schreiben das Jahr 1979 und die Deutsche Demokratische Republik (DDR) feiert ihren dreißigsten Jahrestag. Es wurde im achten Jahr von Erich Honecker geleitet. Als höchster Repräsentant der DDR kooperierte er natürlich sehr eng mit Moskau und lud daher laut Portal am 5. Oktober den Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Leonid Iljitsch Breschnew, ein, ihm die Medaille zu überreichen iDnes.cz.


Zwei Tage später trafen sie sich erneut, diesmal symbolisch vor der Berliner Mauer. Sie standen gemeinsam auf dem Podium, Breschnew hielt seine Rede, und dann passierte es. Der sowjetische Führer wandte sich an Honecker, umarmte ihn und küsste ihn lange.

Die anwesenden Fotografen zögerten nicht und drückten den Auslöser. Das vielleicht berühmteste Foto von diesem Tag wurde von Régis Bossu aufgenommen, der damals mit Magazinen wie Time, Newsweek und Der Spiegel zusammenarbeitete. Es war sein Foto, das die damalige Presse schlicht „Kuss“ nannte und das dann um die Welt ging.

Der sowjetische Führer war ein Experte für den Ausdruck brüderlicher Zuneigung. Seine Kombination aus drei Küssen erhielt den Spitznamen „dreifacher Breschnew“. Ein Kuss auf jede Wange und schließlich direkt auf den Mund.

Im Laufe der Jahre begrüßte Breschnew auch Vertreter der Tschechoslowakei mit einem Dreifachkuss. Seien es die Präsidenten Antonín Novotný, Ľudovít Svoboda, Gustáv Husák oder der Sekretär des Zentralkomitees der KPCh Alexander Dubček. Aber auch Nicht-Politiker schätzten Breschnews Küsse, etwa der Schachspieler Anatoli Karpow oder die gesamte sowjetische Eishockeynationalmannschaft.

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Eine jahrhundertealte Tradition

Sowjetische Führer wie Breschnew, Nikita Chruschtschow und Michail Gorbatschow waren bei weitem nicht die Einzigen, die sich Begrüßungsküsse gönnten. Historikern zufolge reicht die russische Tradition des Küssens bei Zeremonien oder Verhandlungen bis in die Antike zurück. Während der Herrschaft von Iwan dem Schrecklichen hatte ein Kuss des Monarchen das gleiche Gewicht wie seine Unterschrift.

Vierzig Tage nach Ostern umarmten die Zaren dann alle Adligen, denen sie begegneten, zur Begrüßung. Dies wurde im 19. Jahrhundert durch Nikolaus I. geändert, der beschloss, seinen Untertanen auch Küsse zu geben. Sein Urenkel Nikolaus II. Er ließ sich nicht blamieren und holte sich den Rekord für die meisten Küsse an einem Tag.

Das Küssen zwischen Kameraden wurde in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts zu einem der prägenden Elemente der sozialistischen Kultur, doch paradoxerweise wurde das Prinzip des „Küssens“ in den frühen Tagen der Sowjetunion aufgegeben. Erst in den 1930er Jahren kamen sie wieder in Mode. Auf dem Foto von 1936 zögerte Josef Stalin noch etwas, den Piloten Waleri Tschkalow zu küssen, ein Jahr später stürzte er sich bereits enthusiastisch auf den Piloten und General Wassili Molokow.

Ein Kuss als Zeichen des Respekts

Ein kräftiger Kuss auf die Lippen wurde so zu einem festen Bestandteil der sowjetischen Kultur. Er zeigte Respekt gegenüber anderen und durfte bei wichtigen Feiern und Zeremonien nicht fehlen. Sozialistische Führer haben damit gezeigt, wie eng ihre Länder miteinander verbunden sind. Je inniger die Begrüßung, desto enger die Freundschaft.

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Aber nicht jeder mochte Küsse ins Gesicht oder auf die Lippen. Die Führer der kommunistischen asiatischen Länder änderten die Begrüßungsbotschaft und verzichteten lieber auf die Küsse. Stattdessen umarmten sie sich dreimal brüderlich. Doch während des Kalten Krieges ließen sich die europäischen Staats- und Regierungschefs ins Gesicht küssen.

Nach der chinesisch-sowjetischen Spaltung Ende der 1950er Jahre schränkten die Chinesen schließlich ihren Einfluss ein. Als Mao Zedong 1958 Nikita Chruschtschow in Peking begrüßte, bot er ihm nur einen Händedruck an. Und dies blieb auch nach der Normalisierung der gegenseitigen Beziehungen bestehen, wobei das chinesische Protokoll ausdrücklich nur einen Händedruck ohne Umarmung vorsah, heißt es auf der Website der Zeitung. iDnes.cz.

Mit dem Fall der Berliner Mauer verschwand die Kusstradition vollständig. Aber es bleibt in der Erinnerung derjenigen lebendig, die diese Zeit nicht miterlebt haben. Der russische Maler Dmitri Vrubel verewigte 1990 den berühmten Moment zwischen Breschnew und Honecker auf der Ostseite der Mauer. Graffiti mit der Überschrift „Gott, lass mich diese sterbliche Liebe überleben“ blieben nach dem Fall an der Mauer.

Im Laufe der Jahre wurde das Werk durch Vandalen beschädigt und schlechtes Wetter hat nicht zur Erhaltung seines ursprünglichen Zustands beigetragen. Im Jahr 2009 musste es zusammen mit anderen Gemälden gelöscht werden, damit die Künstler sie mit besseren Farben neu bemalen konnten.

Das iDnes-Portal gehört zum Portfolio des Verlagshauses Mafra, zu dem auch Brainee gehört.

Konstantin Hartmann

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