Russland verlangt von Deutschland, die Belagerung Leningrads als Völkermord anzuerkennen

MOSKAU – Russland fordert, dass Deutschland die Blockade Leningrads im Zweiten Weltkrieg nicht nur als Kriegsverbrechen, sondern auch als Völkermord anerkennt. In diesem Zusammenhang richtete das russische Außenministerium eine Note an die deutsche Diplomatie, in der es die „widersprüchliche Lösung“ der Vergangenheit kritisierte. Das berichtet die Nachrichtenagentur DPA.

Deutsche Verbrechen während der Kolonialzeit werden als Völkermord anerkannt, Nazi-Verbrechen gegen die Bevölkerung der ehemaligen Sowjetunion während des Zweiten Weltkriegs jedoch nicht, heißt es in dem Memo. „Die russische Seite besteht darauf, diese Gräueltaten des Dritten Reiches offiziell als Völkermord anzuerkennen“ heißt es in dem Dokument.

Archivvideo

Höchste Menschenkonzentration rund um das Gebäude des Konsulats der Russischen Föderation in der Slowakischen Republik (Quelle: Topky/Vlado Anjel)

Während der Belagerung Leningrads (heute Sankt Petersburg), die zwischen 1941 und 1944 fast 900 Tage dauerte, starben etwa 1,1 Millionen Menschen. Zahlreiche Zivilisten starben an Hunger oder Kälte. „Die Belagerung Leningrads war ein schreckliches Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht gegen Leningrad und seine Bevölkerung“ erklärt das Auswärtige Amt mit der Begründung, die Bundesregierung habe dies immer wieder betont und beharre auf dieser Rechtsauffassung.

80. Jahrestag des Endes der Blockade Leningrads

Anlässlich des 80. Jahrestages des Endes der Blockade Leningrads würdigte die Deutsche Botschaft in Moskau im Januar mit mehreren Veranstaltungen ihre Opfer. Auch Botschafter Alexander Graf Lambsdorff traf sich mit Überlebenden. Die russische Diplomatie übt immer mehr Druck auf Deutschland aus. Aus rechtlicher Sicht gehe der Vorwurf des Völkermords weiter als der Vorwurf der Kriegsverbrechen, erinnert die dpa.

Das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Verhütung und Bestrafung des Völkermordverbrechens von 1948 sieht vor, dass zuständige Gerichte Strafen für Völkermord verhängen müssen. Bei den Fällen vor 1948 geht es darum, sie politisch, gesellschaftlich und geschichtsgeschichtlich zu behandeln. In einer Mitteilung kritisierte das russische Außenministerium erneut, dass Deutschland jüdischen Opfern der Blockade Leningrads nur individuelle Entschädigungen gezahlt habe. Deutschland begründet diesen anderen Ansatz damit, dass sowjetische Juden aufgrund der nationalsozialistischen Rassenpolitik einer besonderen Verfolgung ausgesetzt seien.

Die Entschädigung für andere Opfer wurde durch Kriegsentschädigungen abgedeckt, die Deutschland nach 1945 zahlte. Im Rahmen einer humanitären Geste finanziert die Bundesregierung jedoch seit 2019 Sozial- und Gesundheitshilfe für diejenigen, die die Belagerung überlebt haben. Aus einer neuen diplomatischen Note Moskaus geht hervor, dass es immer noch auf eine den Ereignissen entsprechende humanitäre Geste wartet.

Meta Kron

Reisewissenschaftler. Unternehmer. Leidenschaftlicher Kaffee-Befürworter. Alkoholfanatiker. Allgemeiner Social-Media-Fan.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert