Die neue Bundesregierung und die französische EU-Ratspräsidentschaft sind sich einig, dass sie mehr von der Union wollen. Wenn nicht alle Staaten einverstanden sind, sind sie offen für eine Zusammenarbeit in einer kleineren Gruppe. Paris und Berlin könnten sich jedoch über die Fiskalregeln einigen.
Die französische EU-Ratspräsidentschaft ist in vollem Gange und die neue Bundesregierung hat ihre Prioritäten bereits gesetzt. Paris und Berlin sind sich einig, dass sie im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas für eine stärkere EU kämpfen wollen.
Allerdings müssten sie dafür die Zustimmung aller Mitgliedsstaaten haben, auf die sie nicht zählen. Damit verteidigt die Bundeskanzlerin das Prinzip eines Europas der verschiedenen Geschwindigkeiten.
Beide Länder sind sich einig, dass die Union außenpolitisch souveräner werden soll, was sie mit qualifizierter Mehrheit statt Einstimmigkeit erreichen wollen.
Der Konflikt zwischen den europäischen Mächten kann jedoch in der Finanzpolitik entstehen, deren Regeln sich Deutschland nicht öffnen will.
EU-Reform und das deutsch-französische Tandem
Deutschland hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt, um den EU-Reformprozess in Gang zu bringen. Im Koalitionsvertrag der neuen Regierung heißt es, sie wolle die laufende Konferenz zur Zukunft Europas als Ausgangspunkt für eine EU-Reform nutzen, die letztlich in die „Entwicklung eines europäischen Staatsbundes“ münden soll.
Der französische Präsident Emmanuel Macron, dessen Land seit Januar den EU-Ratsvorsitz innehat, teilt diese Vision.
„Ich hoffe, dass dieser Impuls zur Überarbeitung unserer Verträge führt, und ich begrüße, dass sich die neue Koalition in Deutschland einen solchen Ehrgeiz gesetzt hat“, fügte er hinzu.
Eine große Reform der EU ist derzeit jedoch nicht möglich, da sie die Zustimmung aller Mitgliedsstaaten erfordern würde. Scholz verteidigt daher die Idee eines Europas der mehreren Geschwindigkeiten.
„Wir müssen immer bereit sein, Lösungen in Staatengruppen zu versuchen, sonst sind alle Staaten bereit, wie wir es schon bei Schengen, beim Euro oder auch in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik getan haben“, erklärte er.
Scholz unterstrich auch die Notwendigkeit einer engen Verzahnung mit Frankreich in europäischen Fragen, denn „die deutsch-französische Verständigung ist eine Voraussetzung für Fortschritt in Europa“.
Souveränes Europa
Berlin hat ein besonderes Interesse daran, die strategische Souveränität Europas durch die Stärkung seiner Handlungsfähigkeit im globalen Kontext zu behaupten. Auch in Bereichen wie der Energieversorgung oder der Digitaltechnik will es weniger abhängig von anderen Akteuren sein.
Die neue Koalition will die Zusammenarbeit mit gleichgesinnten demokratischen Staaten fördern und die EU in einem „Systemwettbewerb“ mit autoritären Staaten konkurrieren lassen.
Eines der wichtigsten Instrumente zur Stärkung der strategischen Autonomie des Blocks ist der „strategische Kompass“, der darauf abzielt, die strategischen und militärischen Fähigkeiten Europas zu entwickeln, um die Handlungsfähigkeit der EU in der Welt zu stärken.
Der Kompass wurde während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020 ins Leben gerufen und soll während der französischen Ratspräsidentschaft im März dieses Jahres fertiggestellt werden.
Eine weitere Änderung, für die sich die Bundesregierung einsetzen wird, ist der verstärkte Einsatz der qualifizierten Mehrheit in den EU-Außenbeziehungen. „Dafür wollen wir die Optionen des Lissabon-Vertrags nutzen“, betonte Scholz im Dezember.
„Es muss zur Regel werden, dass wir in Europa im Rat mit qualifizierter Mehrheit entscheiden können, auch in Bereichen, in denen dies heute nicht gilt. Das ist kein Verlust, sondern ein Zugewinn an Souveränität“, fügte er hinzu.
Reibungsspitzen
Allerdings gibt es auch im deutsch-französischen Paar Knackpunkte. Am wichtigsten ist die Reform der EU-Fiskalregeln.
Frankreich, Italien und mehrere andere Mitgliedstaaten drängen auf flexiblere EU-Steuer- und Schuldenregeln.
„Wenn wir zu dem Haushaltsrahmen zurückkehren, der Anfang der 1990er Jahre geschaffen wurde, werden wir dort nicht ankommen“, betonte Macron während seiner Pressekonferenz zur französischen Ratspräsidentschaft.
Allerdings stellt sich die finanzkonservative FDP hinter das Bundesfinanzministerium. Obwohl Finanzminister Christian Lindner eine gewisse Kompromissbereitschaft mit Frankreich und Italien gezeigt hat, wird das Thema umstritten bleiben.
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