Der Junge litt an Übergewicht und gleichzeitig an einem kritischen Mangel an wichtigen Nährstoffen.
Im oberösterreichischen Hellmonsödt befindet sich die Familiengruft der Familie Starhemberg, eines der ältesten Adelsgeschlechter Mitteleuropas. Ein Team aus deutschen und österreichischen Wissenschaftlern war verblüfft über die Entdeckung eines mumifizierten Babys – das einzige Kind in der Krypta und gleichzeitig der einzige Körper, der nicht in einen luxuriösen Metallsarg, sondern nur in einen Holzsarg gelegt wurde, ohne eine Inschrift, die seine Identität preisgeben würde.
Das Kind wurde nicht mumifiziert. Es wurde von der Natur selbst arrangiert, genauer gesagt durch das günstige Mikroklima im Grab. Die perfekt erhaltenen Überreste wurden von Forschern als potenzielle Quelle wertvoller Informationen über das Leben, den Tod und nicht zuletzt die Identität des Kindes angesehen.
Eloquente Verzerrungen
Die Wissenschaftler um Andreas Nerlich vom Universitätsklinikum München-Bogenhausen entnahmen Proben der erhaltenen Weichteile und untersuchten den Körper zusätzlich mittels Computertomographie, wodurch sie virtuell eine virtuelle Autopsie durchführen konnten. Neben der naturwissenschaftlichen Forschung halfen sie sich mit dem Studium historischer Überlieferungen. Ob im Zusammenhang mit der Krypta selbst oder mit der Familie Starhemberg.
Die Untersuchung von Knochen und Zähnen ergab, dass das Kind im Alter von etwa einem Jahr gestorben war. Die Weichteile deuteten auf Fettleibigkeit hin, was bedeutet, dass er definitiv nicht unterernährt war. Eine genaue Untersuchung des Zustands der Knochen brachte jedoch eine paradoxe Entdeckung – obwohl der Junge mehr als reichlich Nahrung hatte, litt er an einem erheblichen Mangel an einigen notwendigen Nährstoffen. Darauf deutet zum Beispiel die Verformung der Rippen bei der Bildung des sogenannten rachitischen Rosenkranzes hin. Ursache ist meist ein akuter Vitamin-D- oder Vitamin-C-Mangel.
Neue Ansicht
„Die Assoziation von Fettleibigkeit mit schwerem Vitaminmangel lässt sich nur dadurch erklären, dass der Junge im Allgemeinen eine relativ ‚gute Ernährung‘ erhielt, aber der Kontakt mit Sonnenlicht praktisch vollständig verweigert wurde.“ sagt Andreas Nerlich. „Das bedeutet, dass wir unseren Blick auf die Lebensumstände der Adelskinder in der Renaissance, aber auch in früheren Zeiten, überdenken müssen.“
Der Forscher fügt hinzu, dass der CT-Scan auch Anzeichen einer Lungenentzündung zeigte, die offenbar das Leben des Kindes forderte. Da Rachitis die Anfälligkeit für diese Krankheit und ihre Anfälligkeit stark erhöht, behaupten er und seine Kollegen, dass gerade der Mangel an Sonnenlicht maßgeblich zum vorzeitigen Tod des Jungen beigetragen hat. „Es ist nur ein Fall“ sagt Nerlich, „Aber wir wissen sehr gut, dass die Säuglingssterblichkeit damals extrem hoch war. Unsere Beobachtungen haben daher auch Einfluss auf eine breitere Sicht auf das Leben von Säuglingen, selbst in den höchsten sozialen Schichten.“
ist der eine
Bei dem Versuch, die Identität des Kindes herauszufinden, fiel den Forschern zunächst die Verformung des Schädels auf, die durch die unzureichenden Abmessungen des Brustkorbs verursacht wurde. Diese Tatsache sowie die Konstruktion des Koffers aus Holz und nicht aus Metall ließen Zweifel an der adeligen Herkunft des armen Jungen aufkommen. Aber weitere Nachforschungen ergaben, dass der Junge in einem teuren Seidenmantel begraben worden war. Darüber hinaus zeigen historische Aufzeichnungen, dass nur Mitglieder der Familie Starhemberg in der Krypta begraben wurden. Tatsächlich ruhten hier nur die wichtigsten von ihnen – die Träger des Grafentitels und ihre Frauen. Nach Ansicht des deutsch-österreichischen Wissenschaftlerteams bedeutet dies, dass der Junge höchstwahrscheinlich der älteste Sohn eines der historisch belegten Grafen von Starhemberg war.
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Die Radiokohlenstoffdatierung der Überreste weist darauf hin, dass das Kind zwischen 1550 und 1635 begraben wurde. Schriftliche Aufzeichnungen helfen, diese Bandbreite zu verzerren, da sie darauf hindeuten, dass der Leichnam nach der Renovierung der Krypta um 1600 deponiert wurde. Laut den Wissenschaftlern bleibt nur ein Kandidat übrig . : Der Knabe im Seidenmantel war wohl Reichard Wilhelm (1625 – 1626). Die Familie bestattete ihn daher neben seinem Namensvetter und Großvater Graf Reichard Starhemberg.
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